In der Einleitung zu meiner Blogserie zum Mikrobiom habe ich den Vergleich zwischen dem komplexen Ökosystem unserer Umwelt und unserem körpereigenen Mikro-Ökosystem aufgemacht. Dieses Mikro-System fasst man unter dem Begriff des menschlichen Mikrobioms zusammen. Und eben dieses Mikrobiom hat auf unser Leben einen nicht zu überschätzenden Einfluss – auf unsere Gesundheit, auf unser Verhalten, unseren Hunger, ja sogar unsere Stimmung. Was aber ist das nun genau, unser menschliches Mikrobiom?

Im ersten Teil der Blogserie zum menschlichen Mikrobiom werde ich euch alles Wichtige zu diesem Thema erzählen.


Überblick zum menschlichen Mikrobiom

Definiert wird unser menschliches Mikrobiom so:

  • Die Gesamtheit aller Mikroorganismen bzw. Mikroben,…
  • …die uns Menschen natürlicherweise (d. h. ohne Auslösung von Krankheitssymptomen) besiedeln: vor allem Bakterien, Pilze, Viren (Viren sind zwar keine Lebewesen, man zählt sie aufgrund ihrer Größe aber ebenfalls zum Mikrobiom)…
  • …und zwar in Nase, Mund, Lungen, Magen, Sexualorganen, Haut sowie auf/in allen sonstigen Schleimhäuten, Körperöffnungen, und Körperflüssigkeiten etc.; vor allem aber im Darm.

Dabei ist das Mikrobiom jedes einzelnen Menschen so individuell wie ein Fingerabdruck.

Aber sind denn nicht Mikroben, Bakterien, Viren, Pilze und so weiter schädlich für uns und verursachen Krankheiten?

Überraschenderweise nur zu einem ganz kleinen Teil: von allen heute bekannten Mikroben auf der Welt sind nur ein Milliardstel (!) pathogen, verursachen also Erkrankungen.


Das Bakteriom

Und wieviele Mikroben haben wir nun in unserem Körper? Unser Mikrobiom umfasst nach heutigen Schätzungen allein etwa 39 Billionen Bakterien (das entspricht insgesamt einer Masse von ca. 2kg  – zumindest vor einem Klogang: Danach können es bis zu 1/3 weniger sein).

39 Billionen Bakterien, in 1.000 verschiedenen Bakterienarten

Diese Bakterien fasst man unter den Oberbegriff „Bakteriom“. Momentan kennen wir ungefähr 1.000 unterschiedliche Bakterienarten, die in und auf unserem Körper leben. Allein in unserem Darm gibt es im Durchschnitt 500 unterschiedliche Bakterien-Arten.

Ein Beispiel für ein Bakterium, das in unserer Darm-Flora vorkommt, ist Lactobacillus acidophilus:

Mikroskopische Aufnahme von Lactobacillus acidophilus Doederlein

Falls ihr diesen Namen schon einmal gehört habt, dürfte das daran liegen, dass Lactobacillus acidophilus zusammen mit Lactococcus lactis zur Produktion von Joghurt verwendet wird.

Joghurt mit Früchten, Bild von <a href="https://pixabay.com/de/users/esigie-444107/?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=447165">esigie</a> auf <a href="https://pixabay.com/de//?utm_source=link-attribution&utm_medium=referral&utm_campaign=image&utm_content=447165">Pixabay</a>

Das Mykobiom

Hinzu kommen geschätzt ungefähr 400 verschiedene Pilzarten – unser Mykobiom. Und nein, wir sind nicht von Champignons oder Steinpilzen besiedelt. Viel eher sehen unsere kleinen Pilz-Mitbewohner so aus:

Diese Transmissions-Mikrofotografie zeigt eine Reihe von Candida albicans-Chlamydosporen oder Chlamydoconidien, die in einer Sputumprobe vorhanden waren. C. albicans ist ein hefeartiges Mitglied des Stammes Deuteromycota oder „Fungi Imperfecti“ und der ätiologische Erreger, der für die Krankheit „Candidiasis“ verantwortlich ist.  (von CDC/ Brinkman - 1963, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2119141)

Ihr seht auf dem Foto eine Gruppe von Hefepilzen der Art Candida albicans in menschlichem Speichel. Candida ist der häufigste Erreger der Kandidose (Soor oder bei Babys „Windelpilz“ genannt).

Über Candida liest man seit einigen Jahren viel auf Wellness-Blogs oder in Gesundheitsratgebern – Stichwörter Candida Infektion, Candida overgrowth usw. Diese Infos sind mit großer Vorsicht zu genießen: Tatsächlich ist Candida nämlich auch bei gesunden Menschen meistens auf den Schleimhäuten von Mund und Rachen, im Genitalbereich oder im Verdauungstrakt zu finden. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung schätzt, dass Candida bei etwa 75% aller gesunden Menschen nachgewiesen werden kann.

Zum Problem wird Candida erst dann, wenn er sich übermäßig ausbreitet – und ein Grund hierfür ist oft ein gestörtes Mikrobiom.


Das Virom

Die dritte große Gruppe mikrobieller Mitbewohner in uns sind – überraschenderweise – Viren. Und davon ziemlich viele: aktuell geht die Forschung davon aus, dass wir von mindestens 140.000 verschiedenen Arten von Viren bevölkert sind – und zwar allein in unserem gastro-intestinalen Trakt, also unserem Verdauungstrakt. Jede dieser 140.000 Arten wiederum besteht aus Millionen einzelner Viren.

Insgesamt schätzt man, dass unser Körper von bis zu zehnmal mehr Viren als Bakterien besiedelt ist – 400 Billionen Mikroorganismen!

Wir haben mindestens 140.000 Virus-Arten allein in unserem Verdauungstrakt

Viele dieser Arten sind mittlerweile auch genetisch sequenziert worden. Ihre genaue Funktion in unserem Körper ist jedoch noch weitgehend unklar (vgl. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fviro.2021.782886/full).

Aber keine Angst: wie auch bei den Mikroorganismen des Bakterioms stellen auch die Viren bzw. das Virom keine Krankheitserreger dar – sie sind apathogen. Ein Beispiel hierfür sind die Anelloviren (Familie Anelloviridae): geschätzt 90% aller Menschen sind mit mindestens von einem 1 von 3 Anellovirus-Subtypen besiedelt (vgl. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/B9780123846846000331). Nachfolgend eine elektronenmikroskopische Aufnahme von Anelloviren, der Balken hat eine Länge von 100 Nanometern (nm):


Quellen

  • The thousands of viruses living in your gut, https://www.embl.org/news/science/viruses-in-gut/
  • Human Anelloviruses: Prevalence and Clinical Significance During Pregnancy, https://www.frontiersin.org/journals/virology/articles/10.3389/fviro.2021.782886/full
  • Family – Anelloviridae, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/B9780123846846000331